Rechtsstaat ?

Deutschland, ein Rechtsstaat ... oder doch nicht ?

Auf die Frage   „Ist Deutschland ein Rechtsstaat“  hätte ich noch 2010 ohne Zögern geantwortet: „Natürlich, was denn sonst !“  Diese Antwort würde ich heute nicht mehr geben.

Ja, Deutschland ist
im Prinzip ein Rechtsstaat, vieles ist an sich recht gut geregelt.

Aber die Umsetzung ist in der Realität derart unzureichend, dass Rechtsstaatlichkeit aufgehoben ist.

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Ich stelle hier nur einige wenige Gedanken und Beispiele vor, die direkt die Justiz betreffen.

Ein Rechtsstaat steht und fällt mit einer funktionierenden Justiz. Eine funktionierende Justiz ist kein Luxus, sondern für eine funktionierende Gesellschaft genauso wichtig wie sauberes fliessendes Wasser und die Verfügbarkeit von Strom.
Der Unterschied ist:
Wenn Strom und Wasser nicht funktionieren merkt man das sofort, es sind viele betroffen.
Wenn die Justiz nicht funktioniert wird dies hingegen nur selten öffentlich.

1.
Eine bayerische Anwältin, die seit gut 30 Jahren in Familiensachen tätig ist sagte mir sehr eindringlich Folgendes:
„Wenn Sie einen Befangenheitsantrag stellen bekommen Sie nie mehr einen Fuß auf den Boden. Sie werden nie mehr ein Verfahren gewinnen“
Das klingt nun so gar nicht nach einer rechtsstaatlichen Justiz, sondern viel mehr nach süditalienischen Methoden und Verflechtungen. Und der Hinweis war sehr ernst gemeint.
Denn Anflüge von Humor konnte ich noch bei keinem Anwalt, den ich treffen musste, feststellen.
Spaß und Übertreibung scheiden also aus.

Die Befangenheitsablehnung ist ein Prozessrecht und macht durchaus Sinn.   >> Petitionen
Der eine oder andere Richter ist bisweilen emotional oder anderweitig zu eingenommen, um einen Prozeß vernünftig führen zu können. Das wäre weder schlimm noch verwerflich, wenn Richter damit klug umgehen würden. Auch einem Arzt kann es passieren, dass er zuviel Sympathie oder andersherum eine Abneigung für einen Patienten hat. Dann ist es vernünftig, den Fall abzugeben. Niemand macht in Klinik und Praxis daraus ein Theater.

Nur die Justiz fasst Befangenheitsablehnungen als Majestätsbeleidigung auf. Ein verbrieftes Recht wird ausgehebelt und ignoriert. Ein Richter irrt nie und ist grundsätzlich neutral. Punkt.
D
er Bundesregierung ist eine funktionierende Justiz einfach zu teuer, man erzählt weiter das Märchen vom Rechtsweg. Und wir glauben es.

 

Der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland 

Schall und Rauch ?

Schaumschlägerei ?

Oder eine Seifenoper ?

 

D_Spülkarte

2.
Die Leichenschau ist eine wenig geliebte Tätigkeit eines jeden Arztes.
Der Vorwurf der Medien, hier fehle es an Qualifikation und Unabhängigkeit der Ärzte ist völlig zutreffend.
Ich kenne auch niemanden, der unglücklich wäre, diese Aufgabe abgeben zu können.

Der Arzt soll sich am Ende äußern, ob es sich um einen natürlichen oder einen unnatürlichen Tod handelt und ob ggf. weitere Untersuchungen nötig sind. ( „Todesursache unklar“ )
Was aber hat dies mit dem „Rechtsstaat“ zu tun ? Mehr als es zunächst scheint.

Die MMW – Münchener Medizinische Wochenschrift – berichtet in der Ausgabe 9/2015 über die Umfrage der Rechtsmedizin der Universität München. Erstmals in Zahlen wird klar, was viele Ärzte schon erlebt haben:
Nämlich Druck von staatlicher Seite, eine „natürliche Todesursache“ zu bescheinigen.

70 % der Ärzte erlebten Druck bei der Leichenschau, eine „Natürliche Todesursache“ zu bescheinigen.
Die Personengruppe, die im Rahmen der Leichenschau am meisten auf eine „natürliche Todesursache“ drängte,
waren Polizeibeamte. Von 100 Ärzten, die die Leichenschau machten, wurden also 44 % durch die Polizei in Richtung „natürliche Todesursache“ gedrängt.
Ungeheuerlich: „Auch seien durch Kriminalbeamte Praxisschließungen angedroht worden, sollte man keine natürliche Todesart bescheinigen und es seien Anrufe von Staatsanwälten eingegangen mit der Erklärung, dass man unnötigen Arbeitsaufwand verursacht habe. (....) Zu Frustrationen führt offenbar auch, daß in – aus ärztlicher Sicht – verdächtigen Fällen oft dennoch keine Obduktion angeordnet und auch keine weiterführenden Ermittlungen vorgenommen werden.

Die Verfasser des Beitrags werden in unserem „Rechtsstaat“ wohl damit honoriert werden, dass die Mittel für das
Institut gekürzt werden.  „Würde für jede unerkannte Tötung eine Kerze am Grab brennen, die Friedhöfe wären hell erleuchtet“


3.
Wider besseres Wissen und ohne Skrupel macht auch der Bundestag Gesetze, die Unrecht darstellen.
Ein typischer Fall ist das Sorgerecht für unverheiratete Väter. Bis 2013 galt, dass der Vater eines Kindes kein Sorgerecht hat, wenn die Mutter nicht zustimmt. ( § 1626 und § 1626 a BGB)
Ausnahmslos jedem Menschen leuchtet ein: dies ist Unrecht. Es ist Unrecht, weil ein Vater auch dann Elternteil ist, wenn er nicht verheiratet mit der Kindesmutter ist und weil er anders behandelt wird als ein verheirateter Vater.
Es ist Unrecht, weil er „vor dem Gesetz“ weniger Wert ist als die Mutter, die allein über die Sorge entscheiden darf. Dem Kind ist´s allemal egal, ob es eine Heiratsurkunde gibt.

Wenig überraschend bestätigte der EuGH 2009, dass die Regelung des § 1626 a BGB Unrecht ist.

Weil der Bundestag für Dinge, die er nicht hören will, taub ist, mußte auch das Verfassungsgericht entscheiden und tat dies 2010 in gleichem Sinne.  Freilich bewegt dies einen Gesetzgeber immer noch nicht dazu, Unrecht zu beseitigen.
Und so trat am 19.5.2013 ein „neues“ Sorgerecht in Kraft, das das bestehende Unrecht unverändert fortsetzt.

Verweigert die Mutter dem unverheirateten Vater die elterliche Sorge, so muß dieser vor Gericht ziehen.
Er kann nun zwar „immerhin“ gegen Unrecht klagen, dies mit vagen Aussichten. Der Gesetzgeber hielt es aber auch weiterhin für unnötig, Grundrechte zu achten. Es ist klar, dass man dieses Spielchen bis in die Ewigkeit führen kann : Verfassungswidriges Gesetz  >  Klage  > pro forma Änderung  >  geändertes, weiter verfassungswidriges Gesetz  > Klage  >  pro forma Änderung usw. usw.  

Das gleiche Spielchen führt der Gesetzgeber aktuell bei der Paritätischen Doppelresidenz auf, auch Wechselmodell genannt : Das „Nein“ des einen zählt mehr als das „Ja“ des anderen.
Boykott und Umgangsverweigerung werden belohnt. Auf der Strecke bleibt das Kind, um dessen Wohl es angeblich doch geht. Mit Rechtsstaatlichkeit hat all dies nichts zu tun.  >> Petitionen

4.
Gerichstverfahren müssen nicht nur sorgfältig und rechtmäßig geführt werden, sondern auch in einer angemessenen Zeit.
Dies betrifft alle Verfahren.
So kann es nicht sein, dass ein Mahnverfahren 4 Jahre dauert. Es ist für einen Großkonzern kein Problem,
auf Forderungen 4 Jahre zu verzichten und Prozeß- wie Anwaltskosten vorzustrecken – der Familienbetrieb um die Ecke mit seinen 2 Mitarbeitern kann es sich aber nicht leisten, auf Zahlungseingänge über Jahre zu warten und Anwaltskosten vorzuschiessen. Dies ist existenzgefährdend.

Auch der säumige Mietnomade, den es in der öffentlichen Diskussion nicht geben darf, weil Politik mit dem
„gierigen Vermieter“ mehr Stimmen fangen kann als mit dem Mieter, der nicht zahlt und die Wohnung zerstört, ist für die multinationale Wohnungsbaugesellschaft kein Problem.
Für das ältere Ehepaar, dass die Mieteinnahmen braucht, um das eigene Haus abzuzahlen wird die Trägheit der Justiz aber schnell zur Katastrophe. Es vergehen Jahre, in denen Eigentum zerstört wird und Mietausfälle sich
häufen, bis der Kläger einen Räumungsbeschluß erhält.
Meist bleibt er komplett auf allen Kosten sitzen: Mietausfall, Anwaltskosten, Zerstörung der Eigentums.
Einige private Vermieter hat dies finanziell und nervlich schon in den Ruin getrieben.
Manche bekommen von sozialistisch-linkslastig geprägten Richtern noch einen netten Spruch auf den Weg wie “Ach, Sie sind doch reich, sie können das verkraften.” Da ist der fleißige Richter also auch noch Sozialarbeiter und Robin Hood.
Auch dies hat nichts mehr mit einer funktionierenden Justiz und gerechten Gesetzen zu tun

Im Familienrecht ist es nicht anders.
Ohne erkennbare Aktivität ziehen sich die Verfahren über Jahre. Dass in der Zeit etwas ermittelt wird, sich der Richter gar Gedanken macht ist mir nie offenbar geworden. Solange, bis Fakten geschaffen sind.
Dann heisst es lapidar: Das Kind hat sich jetzt eingelebt, es soll alles so bleiben wie es ist. Unrecht hin, Unrecht her, jetzt ist es so. Punkt. Mehr zur Belastung durch verschleppte Verfahren unter
>> Petitionen Verfahrensdauer

Ich vermute, dass auch das behäbige, emotionslose Desinteresse der Justiz ein entscheidender Moment war, der die Berliner Jugendrichterin Kirsten Heisig in den Freitod getrieben hat.
Eine dynamische Frau, die Recht und Gerechtigkeit ernst nimmt läuft nicht nur bei den Tätern gegen Wände - das ist zu erwarten - sondern auch in der Justizverwaltung : Zuviel Einsatz gefährdet die bequemen Abläufe.

Bis es zum ersten Termin kommt haben die Angeklagten schon dutzende weitere Straftaten begangen, können sich gar nicht mehr erinnern, welches der vielen Vergehen nun behandelt wird. „Das Ende der Geduld“ von Kirsten Heisig gibt Einblicke in den „Rechtsstaat“ und die Justiz und läßt betroffen zurück.
 

5.
Die erbärmlichste Armseligkeit, die ich mir nur vorstellen kann, zeigt der „Rechtsstaat“ Deutschland darin, wie er mit den Opfern seiner Justiz umgeht. Menschen, denen durch Fehler der Justiz - vielleicht nicht immer, aber doch sehr oft vermeidbare Fehler – unfassbares Leid angetan wurde. Menschen, deren Leben zerstört wurde, die Jahre unschuldig in Gefängnis oder Psychiatrie verbringen mußten erhalten eine „Entschädigung“, die man nicht einmal mehr als Hohn bezeichnen kann.
Von 25 Euro pro Hafttag wird berichtet. (1)
Logisch, dass bei ”so viel Großmut” auch noch Essenskosten abgezogen werden. Der unschuldig Inhaftierte könnte sich ja bereichern !
Wie man hört, muss sogar um diese lächerlichen Summen immer prozessiert werden, der Unschuldige wird erneut gedemütigt. Dem menschenverachtenden Geiz des „Rechtstaates Deutschland“ und seiner Justizverwaltung steht eine unenedliche Großzügigkeit gegenüber, wenn es um Steuerfreiheiten für Großkonzerne, (Partei)Stiftungen und Subventionen geht. Da wünscht man sich doch mehr Amerika. (2)


6.
Darf ein Staat illegal erstellte Daten von ominösen Dritten kaufen, etwa Steuerdaten ?
Auch hier ist die Antwort klar:  Nein. Ein Staat, der selbst halbseidene Geschäfte betreibt, verliert die ethische Integrität.

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Quellen:
(1) „Unschuldig in Haft wegen erfundenen Mißbrauchs“  auf www.welt.de am 29.1.2015
Haftentschädigung: 25 Euro / Tag abzüglich Essenskosten !

(2) „Unschuldige bekommen 25 Millionen Dollar Entschädigung“  auf www.msn.com am 20.1.2016.
Bruce Lisker war 26 Jahre unschuldig in Haft. Falsche Beweise der Staatsanwaltschaft und Falschaussagen der Polizei brachten ihn hinter Gitter. „Entschädigung“ 7,6 Millionen Dollar.
In Deutschland hätte er bestenfalls 190.000 Euro erhalten.
Kash Register war wegen einer falschen Zeugenaussage und schlampigen Ermittlungen 34 Jahre unschuldig in Haft. Die Beweislage gegen Kash Register war laut Gerichtsunterlagen gering.
Weder stimmten die am Tatort gefundenen sieben Fingerabdrücke mit denen von Register überein, noch wurde je eine Tatwaffe gefunden. Lediglich die Aussage der damals 19-Jährigen Brenda Anderson gab dem Gericht Anlaß, Register schuldig zu sprechen. 34 lange Jahre saß er daraufhin im Gefängnis, immer wieder beteuerte er seine Unschuld. Entschädigung : 16,7 Millionen Dollar. In Deutschland höchstens 248.000 Euro.

Quelle, teilweise zitiert: Stefanie Karrenbrock, Kölner Stadanzeiger,20.1.2016.

Für Deutschland hat beispielsweise Thomas Darnstädt viele Informationen zusammengetragen.
“Der Richter und seine Opfer. Wenn Justiz sich irrt”

 

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